Montag, 12. September 2011

Über den Tellerrand geschaut: Zur Information über den Unmut von Eltern der höheren Klassen über die Essenpause

Info von Frau Nesnau: Anbei ein Schreiben von Elias's Eltern aus der Klasse 4 an Frau Radant, die Bürgermeisterkandidatin, welches die Essenspause betrifft.


Sehr geehrteFrau Radant,

unser Sohn Elias Zahn ist Schüler der 4. Klasse der Grundschule Wandlitz. In diesem Schuljahr müssen die Schüler der 4. Klasse nach der 5.Stunde ihr Mittagessen zu sich nehmen. Es handelt sich hierbei um eine zehnminütige Pause. In dieser Zeit gilt es von der 2. Etage in den Speisesaal zu gelangen, sich dort einzureihen in die Schlange der Wartenden, sein Essen einzunehmen, das Geschirr abzuräumen, ggf. die Toilette zu besuchen und wieder im Unterrichtsraum in der 2. Etage einzutreffen. Es bedarf wenig Vorstellungskraft das dies unmöglich ist. Wir als Eltern sind darüber sehr erschrocken und verständlicherweise mehr als empört, dass solche Zustände an einer Schule in Brandenburg auftreten. Es mehren sich die Beschwerden der Kinder, die nicht mehr in der Lage sind ihr Mittagessen vollständig zu sich zu nehmen oder dies sehr hastig tun. Die Schule hat für sich eine angebliche Lösung gefunden und der 6. Stunde 5 Minuten gestrichen und so die Pausenzeit auf 15 Minuten angehoben. Es verbleiben trotz dessen für die Esseneinnahme lediglich 5 – 6 Minuten Zeit, je nach Aufwand bei der Speiseausgabe. Ein Grund für diese Zeiteingrenzung ist auch der Umstand, dass nur so ein halbwegs warmes Mittagsessen an alle Schüler gereicht werden kann. Welches Kind kann auf Dauer so schnell essen, kauen und seinen Teller leeren, ohne danach an einem nervösen Magenleiden als Spätfolge zu erkranken?      

„Eine ausgewogene, bedarfsgerechte Ernährung ist für die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit und die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen von hoher Bedeutung. Es ist nicht nur wichtig, dass die Kinder vor dem Unterricht zu Hause ein Frühstück einnehmen und ausreichend Flüssigkeit trinken. Genauso wichtig ist, dass in den Schulpausen eine geeignete Zwischenmahlzeit und bei Nachmittagsunterricht in der Mittagspause eine vollwertige Mittagsmahlzeit eingenommen wird. Ernährungsbedingte oder -mitbedingte chronische Krankheiten sind nicht nur bei Erwachsenen weit verbreitet und stellen einen wesentlichen Kostenfaktor im Gesundheitssystem dar. Auch Kinder und Jugendliche sind in zunehmendem Maße von Übergewicht und Folgekrankheiten betroffen. Da sich Ernährungsverhalten in der Regel bereits im Kindesalter manifestiert und einmal erworbene Ernährungsmuster häufig ein Leben lang beibehalten werden, kommt einer frühzeitigen Vermittlung von Wissen über Lebensmittelzusammensetzung, Ernährungsphysiologie und der Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit eine besondere Bedeutung zu.“                
(Auszug einer Veröffentlichung der Uni Paderborn, Prof. Dr. Helmut Heseker).

Eine Schuleinrichtung hat daher eine ganz besondere Sorgfaltspflicht gegenüber ihren betreuten Kindern. Wenn Kinder nicht mehr in der Lage sind, in Ruhe eine Mahlzeit einzunehmen und teilweise wieder hungrig oder gar mit Magenschmerzen durch die hastige Essensaufnahme in ihre Klassenräume zurückkehren müssen, ist das eine Situation, die man so nicht akzeptieren kann und genau gegen diese Sorgfaltspflicht verstößt. Wir verweisen an dieser Stelle auf zwei Paragraphen im Brandenburgischen Schulgesetz (BbgSchulG):

§19
(1) Aufgabe der Grundschule ist es, Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Lernfähigkeiten in einem gemeinsamen Bildungsgang so zu fördern, dass sich Grundlagen für selbstständiges Denken, Lernen und Arbeiten entwickeln sowie Erfahrungen im gestaltenden menschlichen Miteinander vermittelt werden. Sie erwerben so Voraussetzungen zur Orientierung und zum Handeln in ihrer Lebenswelt.

§70
(1) Die Schulleitung informiert sich über die Unterrichts- und Erziehungsarbeit an der Schule, unterstützt die Lehrkräfte, das sonstige Schulpersonal und die schulischen Gremien und wirkt in Zusammenarbeit mit Lehrkräften, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern auf gute Lern- und Arbeitsbedingungen sowie auf die Sicherung und Entwicklung der Qualität schulischer Arbeit hin.

In beiden Paragraphen wird darauf hingewiesen, dass die Schule sowie die Schulleitung verpflichtet sind, gute Lern- und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, umso die entsprechenden Lernvoraussetzungen zu schaffen, die für die Förderung der Kinder dieser Altersstufen notwendig sind. Ein gehetztes und hungriges Kind widerspricht diesen Vorgaben bei Weitem. Im letzten Satz vom §19 wird festgelegt, dass sie „Voraussetzungen zur Orientierung und zum Handeln in Ihrer Lebenswelt“ vermittelt bekommen sollen. Hier geht es ganz klar um eine Wertevermittlung. Gehört dazu nicht auch ein gesundes Essverhalten? Was nützen Projekte wie „Tiger-Kids“ im Kindergartenbereich, wo gesundes Essverhalten vermittelt wird, wenn dieses geschaffene Bewusstsein im Grundschulbereich wieder zerstört wird?
Wir halten die Reaktion der Schule, die Situation mit Kürzung der Lernzeit der 6. Stunde zu lösen, für nicht akzeptabel und im Rahmen des Schulgesetzes für nicht zulässig! Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass der Neubau der Grundschule Wandlitz das Ziel hatte, die Lernsituation in Wandlitz deutlich zu verbessern! Mal abgesehen von der kapazitativen Fehlplanung der Einrichtung wird dieses Ziel an dieser Stelle verfehlt.

Wir erwarten im Namen der Eltern der Klasse 4c, dass die Verantwortlichen umgehend eine andere Regelung ermöglichen!

Wir wenden uns an dieser Stelle auch an Sie, mit der Bitte im Rahmen Ihrer Möglichkeit uns zu unterstützen und auf die Situation mit einzuwirken. Im Sinne der Gesundheit und des Lernerfolges unserer Kinder kann man so eine Situation nicht weiter akzeptieren. Hier muss dringend was getan werden!

Vielen Dank im Voraus!

Bei weiteren Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit besten Grüßen


Christine Zahn & Alexander Kieß

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